Mittwoch, 20. Dezember 2017

Arbeit und die Grenzen

Es ist nicht so einfach, jemandem ruhig dabei zuzusehen, wie er sich bei der Arbeit ins kräftemässige Abseits manövriert. Wenn es menschlich passt und stimmt, kann ich was dazu sagen, ansonsten muss ich es zukünftig besser an mir abperlen lassen. Das Leben des anderen ist dessen Leben.

Ich kenn den Sog selber, wenn man meint, man müsse immer weiter gehen. Weiter als die Kräfte reichen und auch weiter als es die eigene Konstitution im Grunde zulässt.* Weil die Arbeit da ist, weil ein Projekt abzuarbeiten ist, weil man die Kollegen nicht hängen lassen will oder aus Ehrgeiz etwas zu schaffen/zu beweisen oder warum auch immer ...

In den verschiedenen Arbeits-Reha-Programmen, die ich als Teilnehmerin besucht habe, konnte ich auch sehen, wie das Leben eines Menschen nach einem körperlichen oder psychischen Total-Zusammenbruch aussehen kann. Menschen die nie mehr voll oder höherprozentig einsatzfähig werden, weil sie sich aufgerieben haben und dadurch gesundheitliche Schäden zurückgeblieben sind. Das hat mich geschockt. Auch die Geschichten dahinter. In die harten Drogen abgerutscht, weil der Leistungsstress anders nicht mehr zu ertragen war, das ist nur ein Beispiel.

Das hat sicher auch mit der persönlichen Geschichte/Verantwortung eines Menschen zu tun, ist jedoch auch ein gesellschaftliches Phänomen: Leistung um (fast) jeden Preis. Meine Meinung: Keine normale Arbeit ist ein Menschenleben oder die eigene Gesundheit wert. Es gibt immer Spitzenzeiten an Auslastung. Aber auf Dauer ist das, was krank macht eben einfach nur eines: krank.

Ein extremer Zusammenbruch ist mir in diesem Ausmass noch nie passiert, kleinere Episoden davon aber schon. Und es braucht seine Zeit, bis man das dann wieder überwunden hat. Ich will es zukünftig nicht mehr passieren lassen und und ich nehme auch die Erlebnisse anderer Menschen für mich als Mahnung.

Es gibt Grenzen und ich spüre sie genau. Das ist vielleicht das, was ich anderen voraushabe: Meine genaue Wahrnehmung für mich selbst. Diese wurde mir aber immer aberkannt und als "übertrieben" dargestellt. Irgendwie hatte und habe ich trotzdem diesen gesunden Egoismus in mir, und den Willen, mich nicht unterkriegen zu lassen. Meine Instinkte sind sicher und zuverlässig. Mein Körper meldet sich sehr genau und deutlich. Ich habe inwischen, dank meiner Stressmedizinerin, sogar medizinische "Beweise" dafür.

Und was das Leben der anderen Menschen anbelangt, ist das einfach ein anderes Paar Schuhe. Jedenfalls nicht meines. Ich will weder rechthaberisch noch übergriffig noch überbesorgt gegenüber anderen sein, bin es aber hin und wieder, daher werde ich auch mir selber gegenüber kritisch bleiben, was das "Einmischen" anbelangt.


*Die eigene Konstitution besser verstehen und anerkennen zu lernen, das ist ein Thema über das ich noch gesondert schreiben will.


5 Kommentare:

  1. Krass...hab derzeit auch wieder viel zuviele Gedanken zum Thema Arbeit. Dein Post half mir gerade sehr. Danke!
    Werde auch gleich noch selbst was schreiben.
    Herzliche Grüüße!

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    1. Mir sind die krassen Fälle im Gedächtnis geblieben, es gibt ja auch weniger Tragisches. Auf jeden Fall erstaunlich wie weit Menschen noch gehen wenn bereits die Alarmglocken Sturm läuten ... Das Thema Arbeit ist ja manchmal mit vielem im Inneren verknüpft was man nicht direkt damit verbinden würde. Das Aufzudröseln kann interessant sein ... Wenn es dir geholfen hat, dann freut es mich. Musste es einfach für mich festhalten.

      Liebe Grüsse zurück!

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  2. Hallo Anne, bei mir ist heute ein Knoten geplatzt zum Thema Arbeit. Jetzt weiß ich warum ich so Schwierigkeiten habe, wenn noch jemand im Raum ist. Einmal die Sozialphobie, die ja aber schon viel besser geworden ist. Aber dann speziell im Haushalt: Da ist es ja eine verqueere Situation: ich werkel in dem seinem Privatraum herum, was man ja so als halbfremde nicht macht. Ich übertrete eine Grenze, auch wenn vom anderen das OK gegeben wurde. Ich bin aber eine die sich extrem vorsichtig bei anderen verhält, wenn ich da zu Besuch bin. Weil ich bloß keine Grenzen verletzen will.Keine Dreck mache ... Ich übe gerade bei einer Freundin es mir bei ihr gemütlich zu machen, also nicht sooo steif auf der Couch hocken, da auf WC gehen, für mich sorgen ...einfach.
    Da ist sehr viel Anspannung.
    Wäre das auch geklärt :-))))

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    1. Hallo Frau Heller

      Das klingt spannend, was du da herausgefunden hast. Damit wird auch klar, warum es dich so viel Überwindung kostet, du arbeitetst ja nicht physisch, sondern gleichzeitig auch gegen ein inneres Tabu an. Klärung ist anstrengend ... aber es lohnt sich, zum Glück.

      Lieber Gruss
      Anne

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  3. Ja genau. Dieses Tabu...wird riesengroß wenn derjenige eben auch noch anwesend ist.
    Jetzt gilt herausfzufinden wie das nun so ist, wenn es nicht im privaten Bereich ist. Und das werd ich natürlich machen :-)))
    Schönes Wochenende!

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