Mir kommt es vor, als stände ich nun in einem leeren Raum. Fast die ganze alte Möblierung ist rausgeflogen, ganz viel Ballast ist weg. Unsicherheit. Vor allem gegenüber anderen Menschen. Benehme ich mich richtig, anderen Menschen gegenüber? Bin ich zu aufdringlich, zu distanziert, wie komme ich an? Bin ich daneben? Es sind nicht mehr die alten bewertenden Gedanken. Es ist eher ein Erstaunen und Erkennen. Es ist, als würde ich aus einem sehr langen Dornröschenschlaf erwachen.
Mir wird klar, dass vieles in meinem bisherigen Leben ein Handeln aus einem tief empfundenen Defizit heraus war. Die Welt hat mich ständig überwältig. Davor wollte ich mich schützen. Da kommt auch ein wenig Scham hoch, weil ich mein Verhalten (gegenüber anderen) jetzt neu sehe. Vieles in meinem Leben steht auf dem Prüfstand. Selbstmitleid und starke Bedürftigkeit, Angst, Angriff und Trotz, Profiliersucht (Geltungsdrang) und Dominanz, Besserwisserei, Abwehrhaltung, Helfersyndrom, Ablehnung, Trotz, starke emotionale Umschwünge, Kontrolle ausüben .. das ist mir vertraut. Ein ganzes Bündel von Verhaltensweisen, die dazu dienten, mir Sicherheit zu geben, mein mentales Überleben zu sichern und mir (scheinbare) Überlegenheit gegenüber anderen zu geben. Mechanismen, die mir Raum und Zeit verschafft haben und damit die ständige drohende Ohnmacht in Schach hielten. "Es" im Griff zu haben war meine ständige Bemühung.
Vakuum. Ich fühle mich unsicher. Mir ist noch unklar, wie ich mich nun neu "einrichten" will. Wer bin ich denn überhaupt?! Was will ich in meinem Leben haben? Was passt noch? Welche der alten "Möbel" kann ich eventuell noch verwenden?! Ich bin froh, dass ich Menschen kenne, die mich genau "so" mögen und annehmen wie ich war und bin. Auch in der momentanen Phase. Mir hilft gerade das klassische Buch "Wenn Frauen zu sehr lieben" von Robin Norwood sehr. Ich erkenne Muster in meinem Leben, habe viele Aha-Erlebnisse. Werde ruhiger und gelassener dadurch.
Das was ich oben beschreibe, waren alles Strategien eines überforderten gestressten Menschen. Vieles davon erkenne ich heute noch, in viel milderer Form, aber ich verurteile mich nicht mehr dafür. Ich habe so lange in Angst und Stress gelebt. Ich bin immer noch daran, mich davon zu erholen und es ist ok. Und: Ich bin auch nur ein Mensch, ich kann und muss nicht perfekt sein. Ich arbeite nach wie vor an mir. Doch auch das will gelernt sein: Wissen, wann ich genug nachgedacht und an mir verbessert habe und einfach "leben" ....
Meine Stärke zu leben, aus dem Selbstwert und der Fülle heraus zu handeln, statt starr in den alten Abläufen zu bleiben, das ist ein Prozess in dem ich mitten drinstecke. Und den ich (inzwischen) schätzen gelernt habe.