Je besser es mir geht, desto schwieriger finde ich sie, die Freundschaften. Weil es mir heute gut geht, habe ich viel weniger Zeit als früher, denn jetzt gehe ich Arbeiten. --- Ich bin echt kritisch geworden, mit wem ich wann meine Zeit verbringe. Ich "sortiere" viel mehr als früher, gebe mehr acht auf mich. Weil ich weniger freie Zeit und Musse habe, mich besser kenne. Das Arbeitsleben ist ein aufreibender täglicher Ringkampf. Da brauch ich nicht noch zusätzliche Belastung in der Freizeit..
Es gibt so ein paar Eigenheiten und Dinge, die mich in Freundschaften besonders stören, das sind:
- Menschen die zu hektisch sind, zuviel auf einmal los haben, bei denen jedes Treffen noch irgend eine zusätzliche Action beinhalten sollte/muss (etwas angucken gehen, gemeinsam irgend einen Anlass/Event besuchen, mehrere andere Leute kommen ebenfalls etc.), werden mir definitiv zu anstrengend. Da passe ich gut auf, dass es mir wirklich in den Kram passt, mich zu verabreden.
- Menschen, die sich nicht auch einmal von selber dazu aufraffen, ein Treffen zu vereinbaren, bei denen melde ich mich nicht mehr. Dadurch sind einige Kontakte komplett eingeschlafen. Bei manchen tuts weh, bei anderen weniger.
- Menschen mit (für mich) zu ideologischen Vorstellungen (was zB Politik, Ernährung, Lebensführung etc. betrifft) nerven mich schwerst. Ich finde sie viel zu anstrengend. Zum Glück sinds manchmal nur vorübergehende Phasen. (Seeehr wahrscheinlich habe ich die selber auch ;)
- Menschen die mich mit ihrer Jammerei und ihren Wehwehchen nur belasten, meide ich grossräumig, so es geht. Meistens stecken sie nicht nur akut in einer Krise, sondern es ist mehr so eine Dauerkrise. (Zu dieser Sorte gehört ich einst selber, zum Glück ist das vorbei!!).
Bei aller "Sortiererei" merke ich, wie wenig _ wirklich enge_ soziale Kontakte ich eigentlich habe. Und wie kritisch ich bin, wie schnell mir jemand auf den Geist geht. Im Sinne von "störe mir nur ja meine Kreise nicht". Wobei es mir wichtig ist, dass ich einem Menschen auch vertrauen kann. Und die Menschen im engsten Kreis, denen vertraue ich. Das war nicht immer so, doch ich habe es gelernt.
Es gibt für mich ein paar Tricks:
- Ich achte zuerst auf mich. Wenn es mir zuviel ist, sage ich auch etwas bereits Vereinbartes wieder ab. Weil ich erst mich selbst wieder ins Lot bringen muss. Ich plane Treffen möglichst im Voraus und lasse davor und danach immer genug freie Zeit im Kalender, in denen ich keine fixen Dinge los habe.
- Ich achte darauf, dass das Treffen möglichst nicht zu starken Eventcharakter bekommt, vor allem wenn man sich vor allem auch über Persönliches und Gefühlsdinge austauschen will oder jemand von beiden sich in einer akuten Krise befindet, dazu brauche ich eine stabile und möglichst geräuscharme Umgebung und Situation. Nicht zu viele Sinnesreize auf einmal.
- Gute Ausreden und taktisches Vorgehen können manchmal nicht schaden ;) Gut zu sich zu schauen, das braucht manchmal ziemliches Durchsetzungsvermögen und psychologisches Feingefühl. Nicht alle mögen es hören, wenn einem etwas "zuviel" ist (zB ein zu lautes Restaurant*), schnell entsteht der Eindruck, man weiche im Leben allem aus und sei einfach zuuu sensibel. Was bei mir definitiv nicht so ist, ich stelle mich täglich meinem Leben, gehe auch an und über meine Grenzen, teste aus was geht und komme weiter. Aber ich muss mir nicht alles antun, was als "Normal" gilt. Manches tut mir einfach nicht gut, und dazu stehe ich inzwischen!
- Essen. Ganz wichtig! Entweder bin ich satt wenn ich zum Treffen komme, habe Proviant dabei oder wir Essen/Kochen gemeinsam etwas. Hungrig gehts bei mir gar nicht und unterzuckert darf ich auf keinen Fall sein, sonst gerate ich schnell auf eine total schiefe Bahn.
- Wärme. Sobald mir kalt ist, gehts mir psychisch schlechter. Daher habe ich immer ein Halstuch/einen Schal/ein Plaid und Arm-/Beinstulpen dabei. Zudem habe ich immer wärmende Chai-Teebeutel (Gewürztees) im Gepäck.*
- Schatten. Lange in der prallen Sonne sitzen oder wandern geht gar nicht.*
- Wenn mir jemand etwas sehr Emotionales / Belastendes erzählt, dann besser auf einem Spaziergang, so es sich einrichten lässt! Bewegung baut bei mir zuverlässig einen Teil der entstehenden Spannung ab.
- Nicht zu viel Neues auf einmal. Das gilt auch für neue Menschen und Anlässe für Feste etc.
- Sollte das Treffen länger gehen, ziehe ich eine Übernachtung in Betracht. Durch den menschlichen Kontakt "durchlässig" geworden, bin ich nicht mehr gerne unterwegs. Vor allem nicht Nachts.
- ... to be continued ...
Langer Rede kurzer Sinn
Wenn ich meine Mitte verliere kann ich selber schnell zu einem Ekelpaket und hypochondrischen Jammerlappen werden. Dass ich selber _auch_ anstrengend bin, anstrengend sein kann, ist mir zu Genüge bewusst. Ich kenne mich. Aber viele Menschen kennen sich selber schlecht. Das ist leider so. Daher muss ICH also auf MICH aufpassen. Das kann ich und das tue ich. Doch es ist auch gut, selber _noch_ etwas gelassener zu werden. Allgemein und auch insbesondere was menschliche Eigenschaften und Eigenarten (alias Macken) anbelangt .. Denn eigentlich mag ich Menschen, bin sogar inzwischen gerne unter ihnen und auch gerne selber ein Mensch - sie sind nur manchmal so furchtbar anstrengend .. also übe ich. Ommmmmm ----
Achja - und Freundschaft heisst für mich, man meint es ernst miteinander, man geht aufeinander ein, man bemüht sich umeinander und zwar beidseitig.
Und wenn das nicht gegeben ist, nicht gegenseitig gelebt wird, dann ist es keine Freundschaft sondern allerhöchstens eine Bekanntschaft.
- - -
*Zu diesem Teil mit der hohen Empfindsamkeit alias Hochsensibilität (und dem "Kleinkindkörper" der fordert wie ein Baby; Wärme, Nahrung, Entspannung, Ruhe ...) gibts auch gute Bücher. zB "Zart besaitet" von Georg Parlow.
Toll! Das liest sich wirklich gut und hast Du Dir hart erarbeitet!
AntwortenLöschenGanz liebe Grüße
Liebe Regenfrau, ja, da habe ich viel gewonnen und da steckt wirklich Arbeit dahinter.. :)
LöschenLieber Gruss
Anne
Ein sehr interessanter Text. Vielleicht helfen/ermutigen mir/mich deine Hinweise, in Zukunft, auch noch besser auf mich und meine Bedürfnisse zu achten. Dass sich dann so einige Verbindungen in Luft auflösen scheint fast unausweichlich. In den letzten Monaten sind bei mir auch so einige Bekannte/Freunde von der Bildfläche verschwunden. In den meisten Fällen ist mir schon klar, dass es eben einfach so kommen musste und auch besser ist. Aber natürlich ist ein gewisses Netzwerk auch eine schöne Sache, weil es Sicherheit gibt.
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Nicola
Liebe Nicola, wenn es dir evtl in Zukunft etwas nützt für dich selbst, dann freut es mich. Sich selber zu kennen, gut zu kennen, ist für mich das A und O. Es fühlt sich gut an, über sich selber Bescheid zu wissen. Das "Sortieren" fällt mir nicht leicht, mit manchen Menschen würde mich das Kontakthalten freuen, aber ich weiss genau, wie frustriert ich bin, wenn es wieder eine einseitige Sache bleibt. Ein gewisses Netzwerk, ja, das ist schön. Nur merke ich, dass ich wohl so manche Löcher im Netz flicken muss .. neue Fäden und Knoten müssen her ;)
LöschenLieber Gruss
Anne
Ich lese schon länger still aber sehr gerne mit bei Dir. Und würde Dir daher gerne den "Liebster Award" überreichen: http://positivepsychologie.wordpress.com/2014/12/09/blogaward/. Ich hoffe, Du magst mitmachen!
AntwortenLöschenLiebe Cosima
LöschenDanke fürs Nominieren, das ehrt mich - und es freut mich, in dir eine treue Leserin zu haben. Bei Awards die an Bedingungen geknüpft sind, mache ich aber nicht mit, sorry. Ich hoffe du bleibst mir trotzdem treu :)
Lieber Gruss
Anne
Liebe Anne,
AntwortenLöschendas mit den Bedingungen kann ich nur zu gut verstehen. Ich finde, den Award gibts auch so und natürlich bleibe ich Dir als Leserin erhalten. :-)
Liebe Grüße,
Cosima
Liebe Cosima, herzlichen Dank für deine Antwort und dein Verständnis :) Trotzdem möchte ich den Award nicht annehmen. Danke trotzdem, fühle mich ehrlich geschmeichelt ..
LöschenLieber Gruss, Anne