Früchte der langen Arbeit an mir selbst
Ein Konflikt innerhalb der Familie hat mich dazu bewogen, mal wieder etwas über das Borderline-Syndrom nachzuforschen. Mich selber betrifft es immer weniger, wie ich merke: Die heftigen emotionalen Impulse nehmen ab, ich kann andere Menschen sein lassen wie sie sind, ohne dauernd in Bewertungen oder Verlassenheitsängste zu verfallen. Wenn ich starke Impulse spüre, versuche ich, den akuten Moment auszuhalten und erst wieder zu handeln, wenn ich mich beruhigt habe. In manchen Situationen verfalle ich noch in die alten Muster, doch es wird besser.
Dankbarkeit
Die jahrelange Auseinandersetzung (in der Therapie und ausserhalb) mit mir selber, sie trägt Früchte und ich fühle mich die meiste Zeit gelassen. Das liegt auch daran, dass ich einige Menschen in meinem Leben habe, die nicht einfach weglaufen oder sich ausklinken, wenn ich neben mir stehe. Davon ist einer mein Lebensgefährte ..
Danke auch den professionellen Helferinnen
Und es liegt auch an den beiden Therapeutinnen, die ich (nacheinander) hatte. Die erste, mütterliche, fing mich als Teenager auf und lehrte mich, dass ich Vertrauen zu Menschen haben darf. Die zweite, nüchterne, lehrte mich, dass meine heftigen emotionalen Reaktionen durchaus wahrgenommen werden und wie diese ankommen. Das war eher eine Schocktherapie. Vielleicht hat es das beides gebraucht, um flügge zu werden. Ja, ich denke schon.
Schon so weit gekommen!
Ich hätte nie geglaubt, einmal so weit zu kommen. Mit meiner seelischen Gesundheit. Ich lebe ein relativ bescheidenes Leben (beruflich), im Vergleich zu dem, wo ich stehen "könnte". Aber ich trage mir das (nicht mehr) nach. Es kommt was kommt. Schritt für Schritt. Eins nach dem anderen. Keine verbrannte Erde mehr hinter mir zu lassen, ist mir inzwischen wichtig(er) geworden: Manches habe ich im Übermut begonnen und dann abgebrochen. Da bleibe ich lieber bescheiden und taste mich langsam vor. Dem ganz grossen Wurf, dem traue ich nicht mehr. Ich bin immer noch daran, dem sicheren Boden trauen zu lernen, auf dem ich stehe und gehe. Das braucht sehr lange, finde ich. Vielleicht ein Zeichen dafür, wie zerrüttet mein Innenleben war, auch wenn es nach aussen nicht immer so aussah.
Belastete und belastende Familie
Die Fortschritte sind da. Unverkennbar. Aber das geht anderen in meiner Familie nicht genau gleich. Das wurde mir mal wieder deutlich bewusst. Da schwelt einiges. Manchmal finde ich es anstrengend, erwachsen zu sein und ruhig zu bleiben, wo sich andere wie Kinder in der Trotzphase verhalten. Mühsam. Da nicht in Kälte und Ablehnung zu verfallen ist manchmal schon eine Kunst. Die eigne Spannung in diesem Moment auszuhalten und beim Gefühlskomplott nicht mehr mitzumachen! Mir ist noch nicht klar, inwieweit ich da noch bereit bin, krankhaftes und schwieriges Verhalten anderer mitzutragen: Wo ist mein Platz und wie verhalte ich mich? Wann habe ich genug getan? Wie handle ich "richtig", so dass es auch mir selber gut geht? Ich schwanke zwischen Mitgefühl, Ärger und Wut. Manchmal fühle ich mich hilflos. Vor allem wenn ich an meine eignen Grenzen komme, was manchmal schnell passiert.
Keine Hilfe ohne Selbsthilfe
Was ich so schwierig finde ist, dass ich jetzt, wo es mir gut geht, manches einfach glasklar erkenne. Manchmal schaffe ich es, etwas anzusprechen. Nicht immer sind diese Verbesserungen aber von Dauer. Das hat mich etwas mitgenommen. Es geht nicht allein um Borderline-Verhalten, da gibt es auch anderes, was ich schwierig finde. Ich bin keine therapeutische Fachperson und es ist nicht meine Aufgabe, diese Position in der Familie einzunehmen. Vor allem gibt es Selbstverantwortung und jedes noch so gut gemeinte Helfen bringt nichts, wenn jemand nicht bereit ist, die Verantwortung für sich und sein Leben zu übernehmen! Irgendwann ist man, bei intaktem geistigem Vermögen, einfach erwachsen und gross genug dafür. Aber es geht darum, dass nicht alle Menschen erkennen, dass sie es selbst sind, die sich das Leben schwer machen.
Hilfreiche Seite und Aussichten von Heilung
Ich habe eine gute Internet-Seite gefunden, auf der einiges über Borderline in gut verständlicher Sprache geschrieben steht. Den letzten Abschnitt (6.3) finde ich besonders spannend, denn er beschäftigt sich damit, dass es wirklich gut kommen kann, wenn man dranbleibt. Was ich aus eigener Sicht und Erfahrung auch bestätigen kann. Es ist auch eine Frage von Geduld und Aushaltenkönnen. Es ist eine Gratwanderung, aber es kann klappen.
Das hast Du wirklich gut geschrieben, liebe Anne! Vorallem finde ich es wichtig, dass man erkennt, dass man nicht den Therapeuten spielen muss und es schon eine Leistung ist, wenn man dann bei sich bleibt und nicht mehr in die Verstrickung einsteigt. Du hast wirklich viel geschafft und kannst sehr stolz auf Dich sein.
AntwortenLöschenLiebe Grüsse
Clara
Schließ mich Pippilotta voll an - DIR muss es gutgehen Anne!
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Ev
Ja, Du kannst sogar sehr stolz auf Dich sein.
AntwortenLöschenIch wünsch Dir auch ganz fest, dass es Dir gut geht, dass Du nicht zu sehr ins Auf und Ab gerätst.
Ich merke das zur Zeit an mir. Mich holen ganz alte Zeiten ein ... ich war lange Zeit verheiratet und ER wurde Alkoholiker. Ich blieb viel zu lange, wie ich aus heutiger Sicht weiss. Wegen tausend Gründen ....
Ich dachte dieses Thema ist voll und ganz durch. Und nun, der Nachbar direkt nebenan ... ein übler Mensch. Trinkt, schlägt die Freundin, drangsanliert auch uns sehr ... Ich spüre, dass die alte Last versucht grösser zu werden. Ich mach mir jeden Morgen klar, dass ER von nebenan und seine Beziehung nichts mit uns, mit mir zu tun hat. Ich hab der Frau mehrmals geholfen, sie kommt immerwieder zu ihm zurück ... ich höre und schaue nun nicht mehr hin. Es ist ihr Leben. Ich lass es nicht mehr an mich ran, ich WILL nicht mitleiden mit ihr.
Gleichzeitig leidet aber auch Susanne, für ein junges Mädchen ist es schlimm, was sie da mitbekommt.
Und Robert ... der versteht gar nichts mehr. ER von oben war erst sein Freund, hat sich unserem Kind aufgedrängt, hat ihn alles mögliche hier auf dem Hof machen lassen. Dann hat ER, der Erwachsene beschlossen, dass wir "nur" Mieter sind und wieder weg müssen, weil nun hat ER eine Freundin und alles hier gehört ihm. Also ist er ekelhaft, auch zu Robert ....
Die Vermieterin ist sein Mama, sie ist schon sehr, sehr alt ....
Wir üben uns in Gelassenheit, suchen nach einer neuen Bleibe, auch das mit Ruhe. Du verstehst es sehr gut, ich ahne wie Du Dich einfühlen kannst!
Sei stolz auf Dich, Anne
liebe Grüsse
Elisabeth