Bei Journelle habe ich einen schlauen Artikel über die Clean-Food-Welle gelesen, den ich hiermit teilen möchte. Es sind für mich sehr wichtige Gedanken dabei, zB dass es heute beim Essen auch ums Funktionieren als Mensch geht: „Nimm das Weißbrot, Du Luder“ oder als das Essen dreckig wurde
Schlichte Dankbarkeit fürs Genügend-zu-Essen-haben -- das vermisse ich -- und den Genuss. Scheinbar spielt beides heute keine grosse Rolle mehr.
Das _richtige_ Essen ist jetzt die neue Religion.
Ein gesundes Mass, Genuss, Dankbarkeit. Das ist das, was mir in dieser Ernährungs-Diskussion fehlt. Es geht heute zu sehr um die Extreme.
Die Funktionalität, die "richtige Nahrung", der Nährwert der Nahrung, wieviel Fett, wieviele Kohlenhydrate, die korrekte Zubereitung -- das ist viel wichtiger geworden. Es braucht immer exlusivere und hippere Zubereitungen oder exotischere Zutaten. Jede neue Food-Welle bringt einen anderen Heilsweg. Das ist Food-Porn -- im negativen Sinn!
Auch Nahrungsmittel für Vegetarier, Rohköstler, Veganer werden heute um die halbe Welt geflogen. Und es ärgert mich, wenn dies ignoriert wird. Vielleicht wär es besser, mal den erhobenen Zeigefinger weguzulassen und menschlich verträglich zu bleiben. Einiges läuft in die falsche Richtung, das ist mir bewusst. Die Nutztierhaltung gehört dazu. Ich habe jedoch Respekt vor dieser gewachsenen Kultur, die gerade auch den Alpenraum sehr geprägt hat. Es ist eine Industrie daraus geworden. Dies tut mir weh. Ich blende es aus, damit ich atmen und leben kann. Das kann man Ignoranz nennen -- oder einfach meine Überlebensstrategie.
Die Welt ist komplex und technisiert geworden. Das Rad der (industriellen) Globalisierung können wir aber nicht mehr zurückdrehen. Ja, das glaube ich wirklich. Können wir da nicht einfach mal dazu stehen?
Fanatismus jeglicher Couleur stösst mich ab und wenn ich ihn bei mir selber feststelle, dann zügle ich mich. Für mich sind Hass und Zeigefinger-Moral keine Lösung für die globalen Probleme. Quasireligiöse Heilslehren machen die Welt nicht zu einem besseren Ort. Moral tut bei mir vor allem eines: Sie schlägt mir auf den Magen. Und den brauche ich, um meine Nahrung gut verdauen zu können. Ich will meinen Beitrag zu einer besseren Welt beitragen, aber ich lasse mir nichts aufzwingen. Ich habe die Weisheit nicht für mich gepachtet, aber ich leiste mir eine eigene Meinung.
Ich will keinem exclusiven Club der Gerechten angehören -- sondern mit beiden Beinen auf der Erde stehen! Und solange ich auf diesem Planeten lebe, nehme ich das Leben anderer Lebewesen, damit ich überlebe. Warum soll ein Tierleben denn mehr wert sein als ein Pflanzenleben? Ich glaube nicht daran. Wer misst das? Geht es nicht einfach darum, dass ich etwas nehme? Was gebe ich dafür zurück? Spüre ich das, was ich zu mir nehme? Schätze ich es?
Als ich letzte Woche zwei ganze Fische im Ofen zubereitet habe (Biozucht-Doraden), war das etwas ganz Spezielles für mich. Weil mir der Wert von Nahrung wieder richtig bewusst wurde. Diese Lebewesen vor mir zu sehen, die ihr Leben gegeben haben, damit ich zu Essen habe, das hat mich berührt. Ich habe dieses Essen zelebriert und genossen. Mein Bezug zum Essen hat sich in den letzten Monaten gewandelt, ich esse bewusster. Ich geniesse es!
Mein Essen sorgfältig auszusuchen und es eben auch zu geniessen ist für mich viel wichtiger geworden, als Theorien über die Ernährung und Nachhaltigkeit zu befolgen. Mein Fleisch- und Fischkonsum hat sich von selbst reduziert durch die Grünen Smoothies.
Aber ich werde nach wie vor tierische Produkte essen. Mit gesundem Mass und vor allem mit Dankbarkeit. Ich gehe da nach meinem Gefühl. Ich will mich selber entscheiden können. Und ich schreibe auch darüber. Das sind unverfälscht meine Gedanken zum Thema. Alles andere wird sich, für mich, zeigen...
Ich will mich weiterhin so ernähren, so dass ich auch zu einer auswärtigen Einladung zum Essen "Ja" sagen kann. Weil ich ein Mensch bin und gerne auch mit anderen Menschen verkehre.
Das ist das was ich meine.
Dadurch, dass ich dankbar für meine Nahrung bin, würdige und schätze ich sie. Ich gebe etwas zurück. Meinen Dank. Das ist eine andere Dimension der Ernährung, die weder messbar noch erklärbar ist. Für mich aber wichtig ist:
DANKE.
Vegan essen ist ja grad sehr IN. Ich war vor kurzem einfach aus Neugierde in einem speziellen veganen Laden. Das bisserl Obst/Gemüse - OK (krieg ich woanders aber auch). Und der Rest - Ersatz für dies, Ersatz für das, Ersatz für jenes...das meiste in Pulverform, oder gepresst oder oder oder...Die verpackten Pülverchen haben mich doch sehr stark an diese Eiweiß-Pseudodrogenshops erinnert, die "Ergänzungsmittel" für Sportler verkaufen. Das hat irgendwie dann nichts mehr mit dem guten bewußten Essen zu tun (aber das ist jetzt meine Meinung).
AntwortenLöschenLG, die prjanik
So einen Laden habe ich bis jetzt nicht gesehen, kann ihn mir aber bildlich vorstellen. Es ist auf jeden Fall auch nicht das, was ich mir unter einem "natürlichen" Lebensstil vorstelle, da stimme ich dir zu.
LöschenAmen, Schwester! (Das musste ich jetzt so schreiben, weil jeder Satz ein Treffer!)
AntwortenLöschenDanke :)
Löschen"Schlichte Dankbarkeit fürs Genügend-zu-Essen-haben -- das vermisse ich -- und den Genuss. Scheinbar spielt beides heute keine grosse Rolle mehr."
AntwortenLöschenSei unbesorgt, es gilt vielen immer noch oder wieder. Danke für den sehr schön geschriebenen Text.
Da bin ich froh, dass es auch noch Genussesser gibt :) das erleichtert mich, dann bin ich nicht allein.. Danke fürs Lob..
LöschenDu sprichst mir sooo aus der Seele! Heute dreht es sich bei mir auch darum, was all die Heilslehren so bewirken. Habe darüber mit einer anderen Bloggerin korrespondiert und einen Post vorbereitet, in dem es darum geht, was diese Besserwisserei und BestiMmerei der anderen aus mir gemacht haben. Ich will das nicht mehr, denn das ist auch eine Form von selbstgerechter Machtausübung.
AntwortenLöschenSehr sympathisch finde ich deine Aussagen.
Herzlichst
Astrid
Eine Heilslehre finde ich schnell problematisch, da wird über das eigene Gefühl und den gesunden Menschenverstand hinweggegangen .. und es wird dogmatisch. Bin schon sehr gespannt auf deinen Artikel :)
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